Francesco Petrarca

1304 – 1374        Italien

 

In Übersetzungen von

Friedrich Bodenstedt

 

 

XXII.

 

Was, wenn nicht Liebe, macht mein Herz so schlagen?

Doch ist es Liebe, Gott! wie mag sie sein?

Wenn gut, warum schließt sie so herbes ein?

Wenn schlecht, woher so süß sind ihre Plagen?

 

Lieb’ ich freiwillig – woher Leid und Klagen?

Und unfreiwillig – ist die Schuld dann mein?

O süßes Weh, lebendige Todespein,

Wie kommt’s, daß ich gezwungen euch muß tragen?

 

Und ungezwungen – klagt’ ich ohne Grund?

In morschem Kahn treib’ ich auf hohem Meer

Ganz steuerlos, ein Spiel der Wind’ und Fluten.

 

So leicht an Wissen und im Wahn so schwer,

Daß, was ich möchte, selber mir nicht kund;

Im Sommer beb’ ich, fühl’ im Winter Gluten.